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Einfach laufen lassen?

Warum es mir so schwer fällt, geduldig zu sein

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Wir haben den 29. Dezember 2019 und das Jahr neigt sich dem Ende. Mein Sohn ist noch einen Tag bei seinem Papa. Ich mache es mir in meinem großen gelbem Sessel gemütlich und nehme mein Handy in die Hand. Eine Bewegung, die in den letzten Tagen viel zu sehr zur Gewohnheit wurde. Ich checke meine sozialen Kanäle auf der Suche nach Neuigkeiten, möglichen Anfragen und neuen Kontakten. Nostalgisch scrolle ich durch meinen Insta-Feed. Und ganz plötzlich weicht meine innere Rastlosigkeit einer beruhigenden Stille. Ich denke an die Worte meiner Mama. „Es sind die Rauhnächte mein Kind, die uns mittweilen besinnlich stimmen und zurück schauen lassen.“ Und es fühlt sich genau so an. 

Ein Blumenstrauß bunter Erinnerungen

Dank Instagram und Co sehe ich sie alle vor mir – die wunderbaren Momente in diesem Jahr. Es ist so wahnsinnig viel passiert. Ich habe einen neuen Job begonnen, der zu einem massiven Perspektivwechsel führte. Ich habe mir mit meinem Urlaub im Paradies einen Traum erfüllt. Mein Sohn hat seinen ersten großen Lebensabschnitt beendet und mit dem Start in der Schule einen neuen Meilenstein gelegt. Gemeinsam mit Freunden habe ich tolle Feste gefeiert und auch die ein oder andere große Träne vergossen. Mit meiner Tanztruppe wurde ich Deutscher Meister. Und auch die Wunden meiner vergangenen Beziehung heilen und sind nur noch selten zu spüren. Alles gut so weit, nicht wahr?

Und trotzdem auf der Suche

Doch neben den ganzen fantastischen Momenten, die ich erleben durfte, bin ich eins nicht - zur Ruhe gekommen. Ich bin durch das Jahr gehetzt, immer auf der Suche nach dem kleinen Stückchen mehr, dem kleinen Funken „besser“. Nur nichts verpassen. Immer unter Strom in einer Stadt, die niemals schläft. Natürlich macht es mich stolz, auf die vielen Erlebnisse zurückzublicken. Ich habe schließlich auch hart dafür gearbeitet. Doch jetzt, wo ich bewusst zurückschaue, stelle ich mir eine wichtige Frage - Zu welchem Preis? Mir wird schlagartig bewusst, dass ich im Spagat zwischen meiner Rolle als berufstätiger Mama und Single-Lady schlichtweg verlernt habe, inne zu halten. Ich habe aufgehört, mir die nötige Zeit für die kleinen Dinge zu nehmen. Doch was bedeutet Zeit eigentlich für mich?

Eine Währung mit schwankendem Wechselkurs

Zeit ist in meinem Leben zu einer Währung mit ständig schwankendem Wechselkurs geworden. Während an den Tagen, wo der Kleine bei mir ist, mein Tag immer zu wenig Stunden hat, haben die Tage ohne ihn zu viele. Und diese Zeit ist zu nutzen! Koste es, was es wolle. Also verplane ich meine Wochenenden bereits monatelang im Voraus. Denn mein Leben ist zu kurz für irgendwann. Und dieses Mantra habe ich bis ins letzte Detail perfektioniert. Was ich in einem Monat erlebe, erlebt manch anderer vielleicht in einem Quartal. Heute hier, morgen dort. Und falls jemand nicht kann, geh ich halt allein. Wer kann und will da auch mithalten?

Ein hoher Preis

Dabei habe ich mit der Zeit etwas ganz Wesentliches vergessen. Mein Wechselkurs gilt nicht für meine Mitmenschen. Getreu meinem Lebensmotto erwarte ich oftmals, dass die Dinge in dem Tempo geschehen, wie ich ihnen dafür Zeit gebe, beruflich wie privat – ob der Abschluss eines Projekts,  das Antworten auf eine Nachricht oder das Entstehen einer neuen Liebe. Mir fällt es mittlerweile unheimlich schwer, mich zurück zu lehnen und den Dingen einfach ihren Lauf zu lassen. Schlichtweg abzuwarten. Das ist nun leider nicht so meine Stärke. Mir fehlt die notwendige Gelassenheit, Dinge einfach hinzunehmen, die ich nicht kontrollieren kann. Und dadurch bin ich eben auch an ganz vielen Dingen gnadenlos vorbeigerauscht. 

Geduld haben

Ich bin kein geduldiger Mensch. Im Gegenteil – ich bin eher so der Typ „Ich kann, ich will, ich werde“. Ich mache einfach. Und dass mich das Warten verrückt machen kann, habe ich in den letzten Tagen extrem gespürt. All meine Gedanken drehten sich nur noch um das „Wann denn endlich“. Schlafen? Fehlanzeige! Und weil ich  eben nicht  gut warten kann, verfalle ich in puren Aktionismus. In fünf Tagen habe ich meine Wohnung renoviert, mich mehr als einmal sinnlos betrunken, Unmengen an Zigaretten geraucht, Verabredungen nur halbherzig wahrgenommen. Doch geht es mir damit nun heute besser? Leider nein – ich bin eigentlich nur müde und erschöpft. Ich habe kapiert, dass ich es nicht erzwingen kann. 

Zurück zu mir

Und noch einmal scrolle ich durch die vielen bunten Erlebnisse in diesem Jahr, sorgfältig archiviert in meinem digitalen Fotoalbum. Ich gehe jede einzelne Sequenz im Kopf noch einmal durch. Und bei der Vielzahl an Erinnerungen beginne ich zu lächeln. Bereuen tu ich keine einzige davon. Nur wird mir bewusst, dass die Hälfte der Momente wahrscheinlich auch für ein Jahr gereicht hätte.

 

Mir die Zeit zu nehmen, diesen Beitrag zu schreiben, hat mich wieder ein bisschen mehr zu mir selbst geführt. Ich kann nicht alles kontrollieren. Ich muss gewissen Dingen die nötige Zeit und den erforderlichen Raum geben, damit sie geschehen können. Und ich werde! 

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