· 

Wo habe ich meine Freunde verloren?

Über soziale Isolation und Einsamkeit einer Singlemama

Einsamkeit: Jenny_Singlemama_alleinerziehend_Blog_Berlin

Ich war schon immer ein geselliger Mensch. Ich kannte schon immer viele Leute. Und irgendjemand hatte immer Zeit. Doch seit der Geburt meines Sohnes und ferner mit dem Auszug seines Vaters scheine ich als alleinerziehende Mutter den Anschluss an die soziale Welt zu verlieren. Diese Tatsache stimmt mich traurig, gelten Alleinerziehende doch als eine der sozialen Risikogruppen für soziale Isolation. Wo habe ich nur meine Freunde verloren?

Von gemeinsam zu einsam

Geselligkeit: Jenny_Singlemama_alleinerziehend_Blog_Deutschland

Rückblick: 2011 bin ich nach Berlin gezogen und kannte genau eine Person. Meine Freundin K. aus Friedrichshain. Ich zog nach Siemensstadt, was circa 20 Kilometer entfernt ist. Einen wirklichen Anschluss an ihre Welt fand ich nie. Die Entfernung war einfach zu weit. Doch im Laufe der Jahre lernte ich durch verschiedene Jobs, Hobbys und Partys neue Leute kennen. Insbesondere durch die Geburt meines Sohnes erweiterte sich mein Bekanntenkreis schlagartig. Krabbelgruppen, Babyfrühstück im Familienzentrum um die Ecke. Überall Gruppen von Müttern, wo ich nur hinschaute. Mein Bekanntenkreis war insgesamt riesengroß.

Gemeinsam einsam: Jenny_Singlemama_alleinerziehend_Blog_Berlin

Heute, fast fünf Jahre später, schaue ich mich um und sehe mich allein auf dem Sofa sitzen. Das Telefon schweigt. WhatsApp scheint kaputt. Nervös überprüfe ich meinen Router. Alles in Ordnung. Doch das Schweigen bleibt. Manchmal ist mein Sohn der einzige Gesprächspartner den habe. Ich fühle mich sozial isoliert. 

Doch was ist das, diese soziale Isolation?

In der Psychologie bezeichnet Soziale Isolation die Lebenssituation von Menschen, die keine oder nur wenig soziale Kontakte haben.[1] Wird die Anzahl der an üblichen Kontakten unterschritten, kann soziale Isolation psychisch krank machen. Häufig ist das Empfinden sozialer Isolation aber tatsächlich das Empfinden von Einsamkeit. Als einsam gilt, wer die Anzahl und Intensität der eigenen sozialen Kontakte als unzureichend empfindet und unter diesem Mangel leidet. Demnach kann sich jeder einsam fühlen, auch wenn er nach objektiven Maßstäben über eine ausreichende Anzahl an sozialen Kontakt verfügt. [2] 

Sozial nicht isoliert, aber wo sind denn alle hin?

Schnell gehe ich im Kopf die Anzahl meiner Freunde und Bekannte durch. Mir scheint, als hätte ich Glück und bin rein objektiv nicht von sozialer Isolation betroffen – zu einer Risikogruppe gehöre ich allemal. Ich bin „nur“ einsam. Ich fühle mich allein.

Straffer Zeitplan: Jenny_Singlemama_alleinerziehend_Blog_Berlin

Um den Spagat als alleinerziehende Mutter zwischen Job und Kind zu schaffen, hat mein Alltag einen festen Rhythmus. Nach der Arbeit trete ich direkt den Heimweg an, um den Kleinen einigermaßen pünktlich aus dem Kindergarten abzuholen. Pünktlich heißt an dieser Stelle nicht früh. Pünktlich heißt im Rahmen des genehmigten Betreuungsumfangs. Aufgrund der langen Wege in Berlin bin ich meist eine der letzten Mütter, die ihr Kind abholt. Da sind die meisten Muttis bereits schon in Scharen auf dem Spielplatz. Ein Blick auf die Uhr reicht um zu sehen, dass es für uns für den Spielplatz viel zu spät ist. Kein Raum für soziale Interaktion. Also schnell nach Hause, mit dem Kleinen spielen, Abendessen machen, Zähne putzen, vorlesen, kuscheln und ab ins Bett.

 

Nun hätte ich Zeit. Da ich aber als Singlemama mit meinem sechsjährigen Kind allein lebe, kann ich nicht einfach gehen. Ob nicht jemand aufpassen könnte? Gute Idee! Leider ist Papa-Tag nur Mittwochs, meine Mutter lebt nicht in Berlin und für einen Babysitter habe ich kein Geld. Bliebe also nur die Option, dass mich jemand besucht. Aber es kommt keiner. Ich frage mich, wo denn alle meine Freunde geblieben sind.

Ich bin es leid, immer zu fragen

In Ordnung, ich habe verstanden, dass ich zu weit draußen wohne, um nach einem neun oder zehn Stundentag für ein Bierchen ans andere Ende der Stadt zu fahren. Aber was ist mit den Wochenenden, insbesondere an denen, wo mein Sohn beim Papa ist? Als Singemama will ich ins Kino gehen, in Kneipen versacken, die Nächte durchtanzen. Auch als alleinerziehende Mutter will ich was erleben! Doch warum fühlt es sich so an, als würde ich als Singlemama von solch normalen sozialen Dingen ausgeschlossen? Warum meldet sich kaum noch einer bei mir? Mittlerweile bin ich es leid, immer zu fragen. Und so schließt sich der Kreis und ich sitze wieder allein auf dem Sofa. Und auch wenn die Definition perse nicht auf mich zutrifft. Ich fühle mich sozial isoliert!

Auf einem Familien-Portal lese ich: „Damit Alleinerziehenden nicht in eine soziale Isolation abrutschen, sollten sie sich Rückbestätigung im Freundes-, Bekannten- oder Familienkreis suchen und gegebenenfalls auch Unterstützung annehmen, wenn sie angeboten wird.“[3] Ich lach mich tot. Ich wäre froh, wenn mir jemand Unterstützung anbieten würde. Bis auf den Papa vom Kleinen tut das nämlich so gut wie niemand.

Aber hey, hands-on, Kampf der sozialen Isolation!

Stark: Jenny_Singlemama_alleinerziehend_Blog_Berlin

Trotz aller Hemmnisse und Doppelbelastung: Ich bin nicht der Typ, der sich seinem Schicksal einfach so hingibt. Ich bin ein Macher, eine Singlemama die Gesellschaft sucht. Auch wenn meine Tage eigentlich immer zu wenig Stunden haben und mir nach einem langen Tag die Energie fehlt. Ich versuche aktiv gegen meine Einsamkeit vorzugehen.

 

Meinen freien Mittwochabend nutze ich also, in dem ich in einer Tanzschule einen Tanzkurs belegt habe. Videoclipdancing 30+. Bedauerlicherweise sind mit mir nur drei Leute Ü30.  Alleinerziehende Mütter sind nicht dabei. Komischerweise bin ich nicht überrascht. Ein ganzes Jahr hat es gedauert, bis wir uns das erste Mal außerhalb des Tanzkurses getroffen haben. Eine Wiederholung gab es bisher nicht.

Auch über meine verschiedenen Jobs habe ich zahlreiche Kontakte geknüpft. Aber über das „Wir müssen uns unbedingt mal treffen“ geht es meistens nicht hinaus. Auch die von mir ins Leben gerufenen Stammtische sind mit der Zeit verpufft. Es scheint immer dasselbe: Kümmere ich mich nicht aktiv um ein Treffen, findet keins statt.

 

Auch das Naheliegendste, Freundschaften mit Kita-Muttis zu schließen, gestaltet sich mehr als schwierig. Erstmal müsste ich den Müttern ja begegnen. Das ist dahingehend schwierig, weil ich zu den Müttern zähle, die ihr Kind als letztes abholt. Und treffe ich dann tatsächlich mal eine Mama, ist das noch längst kein Garant. Da wir uns ja am Anfang über die Kinder kennenlernen, dreht sich auch in diesem frühen Stadium alles um die Kinder. Haben wir alle Kinderthemen abgearbeitet, lernen wir uns möglicherweise persönlich kennen. Und dann merken wir beide ziemlich schnell, ob die Chemie stimmt. Und dann ist da ja auch noch die zeitliche Komponente. Ob wir uns nachmittags mal auf dem Spielplatz treffen? Tut mir leid, da bin ich noch im Büro. Oftmals verläuft dieser Kontakt dann im Sand. Doch ich gebe nicht auf.

Zu guter Letzt – ein Appell!

Und doch sitze ich nun als alleinerziehende Mutter wieder allein vor meinem Laptop und schreibe dieses Beitrag anstatt mit einer lieben Freundin bei einem Glas Wein auf meiner Couch. Ich bin noch da – vergesst mich nicht! Der Wein wartet auf Euch.

 

Quellen: [1] psylex.de[2] wikipedia.org I [3] familie-und-tipps.de

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 5
  • #1

    Daniela (Mittwoch, 19 Dezember 2018 20:43)

    Hey ehemalige Kollegin,

    Coole Sache mit deinem Blog. Hab mir schon gedacht, dass da irgendwas vorgeht bei euch - aber mich nicht getraut zu fragen �. Toll dass du es hier auf deine ganz eigene Weise verarbeitest. Und großes Kompliment für das schöne Schreiben- das war schon „damals“ deine absolute Stärke.

    Für nen Glas Wein ist Berlin jetzt doch weit weg... aber wenn du mal wieder in der alten Heimat sein solltest, meld dich doch mal. Nen Glas Wein gibt es auch hier �

  • #2

    Katrin (Sonntag, 24 November 2019 11:06)

    Danke! Mir geht es ganz genauso und ich dachte immer es läge nur an mir. Es tut gut zu lesen, dass man nicht die Einzige ist. Ich bin seit neun Jahren alleinerziehend und fühle mich immer einsamer und isolierter.

  • #3

    Mamamit2Söhnen (Mittwoch, 11 November 2020 23:43)

    Sali Du,
    Ich fühle mich auch total einsam und isoliert. Allgemein bin ich an Anschlag, da ich von meinen Söhnen viel Negatives erfahren darf... und dies auch täglich von Ihnen erleben darf.
    Da drehe ich (wie heute abend) jeweils durch. Vermutlich bin ich schon x-Mal durchgedreht, aber wo soll ich denn hin...? Mit mir selbst, mit all der Energie die aus mir raus will, die Frustration keine Ansprechpartner auf Augenhöhe zu haben.
    Und dann in der Corona Isolation, also tief in allertiefster Einsamkeit, habe ich zufällig (durch einen Notruf??) diese Seite hier entdeckt: sie ist regional, sie gibt es auf der ganzen Welt und sie ist gratis.
    Versuche es auch einmal: meetup.com
    Seit dann gehe ich an Anlässe und treffe neue Leute.
    Das Beste seit dem Internet.
    Danke meetup!
    Ich wünsche Dir viel Kraft.
    Viele Grüsse

  • #4

    Single Mom at work (Mittwoch, 27 Januar 2021 15:02)

    Liebe Mamamit2Söhnen,
    die Einsamkeit und gefühlte Isolation kann einen auffressen. Du bist den richtigen Weg gegangen! Du hast den ersten Schritt gemacht und bis aktiv geworden. MeetUps sind eine wunderbare Idee Kontakte zu Gleichgesinnten zu knüpfen. Ich wünsche dir viel Erfolg dabei!

  • #5

    Linne (Sonntag, 07 Januar 2024 03:35)

    Ich möchte über diesen Weg allen Eltern, denen es genauso geht, Mut machen. Es sind nur Phasen in einem Lebensabschnitt. Sind die Kinder älter, hat man wieder Zeit für sich und das geht schnell. Allerdings ist die Isolation erschreckend, auch, wenn man versteht, wer wirklich noch da ist, so nach der Geburt, nach Trennung - überhaupt. Das ist kein einfacher Weg.