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Heute Mama, morgen Papa

Die Schattenseiten eines gut gemeinten Wechselmodells

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Das Kind hat sich nicht getrennt. Wir wollen eine Familie bleiben. Darauf hatten wir uns kurz nach der Trennung geeinigt. Was übrig blieb, sind zwei Welten und ein Streit darüber, in welcher der beiden Welten sich das Kind wie lange aufhält. Unsere Devise war einmal, kooperativ miteinander zu erziehen. Die Realität heute ist eine andere. Wir haben getrennte Leben, getrennte Welten und ein Kind, dass wie ein Pendel zwischen beiden hin und her schwingt. Ein Miteinander gibt es nicht mehr. Ehrlich und glaubwürdig über die Gefühle und das Verhalten des Kindes in der jeweils anderen Welt miteinander reden? Fehlanzeige! Wir übermitteln uns gegenseitig nur noch die notwendigsten Informationen. Und der Kleine? Der weiß schon längst nicht mehr, wo er hingehört.

Vom Residenz- zum Wechselmodell

Zu Beginn lebten wir das Residenzmodell: Jeden Mittwoch und alle zwei Wochen von Freitag bis Montag beim Papa. Wir merkten schnell, dass der schnelle Wechsel zwischen Mittwoch Papa, Donnerstag Mama und Freitag wieder Papa, den Kleinen durcheinander brachte. Um dem Kleinen die kurzfristigen Wechsel zu erleichtern, stellten wir das Umgangsmodell im Sommer auf fünf zu neun um. Neun Tage bei mir, fünf Tage beim Papa. Der Mittwoch jede Woche ist geblieben. Eine Zeitlang klappte das gut. Insbesondere in dem Moment, wo eine Kommunikation zwischen uns als Eltern noch funktionierte. Der Umzug meines Exfreundes in die gemeinsame Wohnung mit seinem neuen Freund veränderte alles. In meinen Augen war das für das Kind alles viel zu viel Veränderung in zu kurzer Zeit: Einschulung, neuer Freund und dann die neue Wohnung. Meine kritischen Anmerkungen wurden runtergespült wie Wasser in der Toilette. Vielmehr hatten beide auf einmal so ihre ganz eigenen Vorstellungen, wie das mit dem Kleinen funktionieren sollte. „Dem Kind geht’s doch gut“, waren ihre Worte. Stimmt ja auch, die Ausraster hat er nur bei mir. Meine Meinung zählte nicht mehr. Und so ließ ich los. Doch zur Ruhe kommen wir in meiner Welt beide nicht.

Wut, Trauer und ein gebrochenes Herz

Seit einigen Wochen fängt der Kleine bei mir immer wieder bitterlich an zu weinen. Er sei so traurig, sagt er. Warum? Das kann er nicht sagen. Mir bricht das Herz. Meine Zweifel steigen. Ich nehme ihn in den Arm, versuche ihn zu trösten. Sage ihm, dass ich ihn lieb hab und immer da sein werde. Bis er sich beruhigt, dauert meist eine halbe bis Stunde. Ich bleibe stark. Aber ich bin allein damit. Wenn er nicht weint, dann ist er meist motzig oder mies gelaunt. Manchmal fast täglich. Und meine Zweifel steigen weiter. Will er vielleicht gar nicht bei mir sein? Fühlt er sich bei den Vätern womöglich doch wohler? Bin ich eine gute Mutter? Ihn aber gehen zu lassen, bringe ich nicht über mein Herz. Ich bin doch seine Mama. Ich hatte ihn neun Monate im Bauch. Habe ihn in den ersten fünf Jahren, wo sein Vater sich wenig kümmerte, umsorgt. Und nun soll ich loslassen? 

Ich bin schuld!

Ich habe viel darüber gelesen, dass sich Kinder in der Regel selbst die Schuld dafür geben, wenn die Eltern sich trennen. Ich dachte, wir hätten diese Klippe erfolgreich umschifft. Ihm das Gefühl gegeben, er muss sich nicht entscheiden. Aber offensichtlich lag ich mit dieser Einschätzung völlig falsch. Denn dieser eine Satz kam heute ganz unverhofft nach einem durchwachsenden Nachmittag. Er sei doch immer schuld, so seine Worte. Und auf die Frage, ob er auch glaubt, dass er schuld daran ist, dass Papa nicht mehr bei uns wohnt, antwortet er nur laut ja. Dann bricht er zusammen. Es dauert eine halbe Ewigkeit, ihn zu beruhigen. Was folgt ist ein bitterliches Schreien nach Papa. Und ich kann nichts weiter tun, als ihn in den Arm zunehmen. Tränen laufen mir über das Gesicht. Was tun wir diesem Kind nur an?

Was wurde nur aus „Eltern bleiben“?

Und das erste mal nach sehr langer Zeit wünschte ich mir, ich könnte mit seinem Papa offen und ehrlich darüber reden. Doch ich bin damit allein. Denn auf meine Frage, wie es  bei den beiden so läuft, bekomme ich immer dieselbe Antwort. „Nee, bei uns ist alles gut.“ Wie soll ich also ernsthaft über meine Bedenken sprechen, wenn ich das Gefühl habe, nicht ernst genommen zu werden? Ich fühle Misstrauen und Argwohn. Vertrauen zum Papa gibt es nicht mehr. Und diese Erkenntnis schmerzt so sehr. Und auf einmal wird mir bewusst, dass wir als Eltern kläglich gescheitert sind. Unser ursprüngliches Konzept, eine Familie zu bleiben, weiterhin gemeinsam zu erziehen, fair und offen, hat nicht funktioniert. Doch welche Zukunft hat dann noch das gut gemeinte Wechselmodell? 

Doch der Zweifel bleibt

Und nun sitze ich hier und hinterfrage meine Rolle als Mutter wieder einmal mehr. Will der Kleine überhaupt bei mir sein? Ist er glücklich in meiner Welt. Wäre ein Umzug zu Papa tatsächlich besser? Bin ich wirklich die beste Option für mein Kind? Ja! Und das wird niemals anders sein.

 

 

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Kommentare: 2
  • #1

    gabi (Mittwoch, 04 Dezember 2019 00:24)

    Liebe Jenny, ich glaube ihr solltet euch hilfe holen. Der kleine merkt wie du enttäuscht bist, ersieht wie sein Papa happy ist er ist mit eurer Gefühlswelt total überfordert. Holt euch Hilfe dem Kleinen zu liebe.lg Gabi

  • #2

    Maria (Mittwoch, 04 Dezember 2019 07:25)

    Ach Jenny. Was sind mir Tränen übers Gesicht gelaufen als I h das gelesen habe. Ich bin au h Trennungskind, aber mein Papa hatte nie Interesse an mir. Ob das gut oder schlecht war, weiß ich nicht aber ich weiß, dass ich oft das Gefühl hatte nicht gut genug gewesen zu sein für ihn. Die beeinflusste später auch meine partnerwahl. Ich weiß du bist gut auf zack und auch nicht zu stolz um Hilfe zu bitten. Vielleicht hilft hier doch eine psychologische Familienberatung wenn ihr das nicht schon tut. Ich wünsche euch alles alles Gute. Und noch eins: eine mama die sich so viele gedanken über das Wohlbefinden seines Kindes macht, ist eine gute mama. Ich drück dich ganz fest