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"Ich will Papa zurück!"

Weil Kinder sich nicht getrennt haben

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Es ist ein gewöhnlicher Montag nach einem langem Papa-Wochenende. Von Freitag bis Montag ist mein Sohn bei seinem Vater. Highlight des Wochenendes ist ein Ausflug ins Berliner Aquarium mit anschließendem Besuch auf dem Weihnachtsmarkt. Auch wenn ich die freie Zeit für mich genieße, so freue ich mich meinen kleinen Mann aus dem Kindergarten abzuholen und von seinem Wochenende zu erfahren. Beschwingt laufe ich in die Kita. Er freut sich mich zu sehen, wir umarmen uns und treten den Heimweg an. Wir haben einen schönen Nachmittag. Gemeinsam verschönern wir sein Zimmer. Seit Lego und Playmobil bei uns eingezogen ist, brauchen wir mehr denn je ein gut funktionierendes Ordnungssystem. Das bringen wir nun an und sortieren und sortieren und sortieren. Zum Abendessen mache ich uns Hähnchenkeule mit Bratkartoffel. Ein gelungener Tag, wie ich finde. 

Eine Gute-Nacht-Geschichte mit Folgen

Täglich grüßt das Murmeltier. Wie jeden Abend folgt eine gute Nacht-Geschichte. Aber nur eine kurze, denn heute sind wir wirklich spät dran. Er holt „Ein Land vor unserer Zeit“ aus seinem Zimmer. Na gut, er war das Wochenende nicht da und ich gebe nach. Und so kuscheln wir uns in das große Bett und ich fange an zu lesen. Es kommt die Stelle, wo die Mama von Littlefoot nach einem kräftezehrenden Kampf mit Scharfzahn stirbt. Nichts ungewöhnliches. Mein Sohn kennt die Geschichte in und auswendig. Doch heute Abend ist es anders. Er klammert sich an mich, beginnt zu schluchzen und schließlich bitterlich an zu weinen. Ich frage ihn, warum er weint. Wegen der Mutter, schluchzt er. Ich schlucke. Er möchte bei mir schlafen doch ich sage nein. Er hat sein eigenes Bett und ich bringe ihn rüber. Tapfer fügt er sich und legt sich hin. Ich spüre, wie traurig er ist. Ich rede ihm gut zu. Er kuschelt sich in seinen überdimensionalen Hai und dreht sich um. Ich gehe aus dem Zimmer und höre nur wenige Augenblicke später seinen verzweifelten Schrei nach mir.

Er weint, er will Papa zurück

Ich gehe wieder hinein und nehme ihn in den Arm. Er weint bitterlich. Immer wieder sagt er, dass Papa zurück kommen soll. Mir bricht es fast das Herz. Ich versuche ihm zu erklären, dass das nicht passieren wird. Papa wohnt nun allein. Aber ich bin da. Er weint weiter. Ich frage ihn, ob wir Papa anrufen sollen. Gott sei Dank haben sein Vater und ich so ein gutes Verhältnis nach der Trennung, dass das möglich ist. Mein Sohn nickt. Als Papa abnimmt, möchte der Kleine nicht mehr sprechen. Stille, auf beiden Seiten des Telefons. Zu hören ist nur das Weinen von dem Kleinen und seinen verzweifelten Worten „Papa, Papa“. Ich lege auf.

Ich spüre seine Traurigkeit und weine mit

Ich nehme meinen Sohn in den Arm und er weint. Immer doller und immer doller. Immer wieder sagt er „Papa, Papa“. Auch mir kommen nun die Tränen. Weil er mir so leid tut, weil ich seine Traurigkeit förmlich spüren kann. Ich drücke ihn ganz fest an mich heran und sage immer wieder, dass er und ich nun allein sind. Und ich frage ihn, ob er Angst hat, dass ich ihn auch verlasse. Er nickt und weint. Ich versichere ihm, dass das nie passieren wird und halte ihn fest. Ganz doll. Mehr kann ich nicht tun. Ich bringe ihn in mein Bett, sein Lieblingskuscheltier der Hai kommt mit. Er schläft.

Familie Bleiben, denn Kinder trennen sich nicht

Diese Situation wirkt nach. Und ich kenne sie gut. Nach unserer Trennung zog A. mitten in der Nacht aus. Von dem Kleinen hat er sich nicht verabschiedet. Heute bereut er das zutiefst. Aber an jenem Abend ging es nicht anders, sagt er. Zu aufgeheizt war die Stimmung zwischen uns. Hinter uns lagen lange Tage voller Wut, Trauer und Verzweiflung, vollgepackt mit Provokationen und Beschimpfungen meinerseits. Und auch wenn ich nicht plötzlich alleinerziehend war, so waren wir beide doch von heute auf Morgen allein. Ich wusste warum, mein Sohn nicht.

Der Kleine war immer ein ausgeglichener kleiner Junge. Doch nach der Trennung erlebe ich eine komplett andere Seite an ihm. Er schreit, er tritt, er wütend in seinem Zimmer. Was soll er auch anders tun mit fünf Jahren. Und ich bekomme es ab. Bin sein Blitzableiter. Papa war weg und ich hatte nun die Aufgabe, das Chaos zu beseitigen. Und so bin ich geduldig und nehme die Ausraster in Kauf. Mein Sohn hat sich schließlich nicht getrennt. Er hat uns beide lieb. 

Aus Liebe schlucke ich Den Stolz runter

Die Beziehung zwischen ihm und Papa ist seit diesem Tag sehr gestört. Wen wundert es. Er möchte nicht zu Papa, nicht für einen Tag und schon gar nicht dort schlafen. Dass er das mit seinen fünf Jahren so ausdrücken kann. Donnerwetter. Doch ich wünsche mir für ihn eine gute Beziehung zu seinem Vater. Ich finde das wichtig für seine Entwicklung. Und so schlucke ich meinen Stolz runter und gebe nach. Ich gehe auf A. zu und helfe ihm aktiv, die Beziehung zu seinem Sohn wieder aufzubauen. Und es wird besser. Noah fasst Vertrauen und sagt Papa nach einigen Monaten sogar, ich hab dich lieb.

Am Ende bin ich aber doch allein

Als Eltern haben wir uns nach der Trennung das Ziel gesetzt, eine Familie zu bleiben. Denn das Kind hat sich nicht getrennt. Wir möchten den Kleinen nicht in die Situation bringen, dass er das Gefühl hat, sich entscheiden zu müssen. Diesen inneren Konflikt können Kinder nicht ertragen. Also streiten wir nicht vor dem Kind, freuen uns, wenn er von seinen Erlebnissen bei dem jeweils anderen erzählt. Auch wenn mir das ein oder andere mal echt zum Kotzen war. Wir versuchen ihm weiterhin beide gute Eltern zu sein, gehen gemeinsam zu den wichtigsten Veranstaltungen in der Kita. Und dieser Weg ist für uns beide steinig und schwer.

 

Doch am Ende ist es doch so. Der Kleine lebt bei mir. Auch wenn A. ihn jeden Morgen in die Kita bringt, ihn einmal die Woche und alle zwei Wochenenden bei sich hat. Sein Lebensmittelpunkt ist bei mir. Ich bin seine erste Bezugsperson. Papa zeigt er seine Gefühle nicht in dieser Art. Viel zu groß ist seine Angst, wieder verlassen zu werden. Und auch wenn A. nach solch einem Moment noch einmal anruft und sich nach meinem Wohlbefinden erkundigt, wenn er auflegt bin ich wieder mit mir allein. Er lehnt sich nach dem Telefonat einfach an die Schulter seines neuen Partners. 

 

Hinweis: Alle in diesem Beitrag erwähnten Personen sind über den Inhalt informiert und haben ihre Zustimmung gegeben.

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