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Eine Trennung auf Raten

Ich war nicht plötzlich alleinerziehend

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Es war der 7. November 2017, der 28. Geburtstag von A. und wir saßen auf dem Balkon unseres wunderschönen Bungalows auf Ko Phangan. Der Mond spiegelte sich in den Wellen des Meeres direkt vor uns. Und mitten im Paradies fühlte ich mich schrecklich allein. A. starrte beharrlich auf das Displays seines Handys. Es herrschte Funkstille: kein Gespräch, keine Berührung, nichts. Wir waren zwar zusammen und doch war jeder von uns irgendwie allein. Und auf einmal war es für mich sonnenklar. Nach sieben Jahren ist es heute vorbei.

Ein Rückblick oder wie alles begann

Wir lernten uns 2010 in Magdeburg kennen. Trotz des Altersunterschieds von sechs Jahren war ich sofort fasziniert von ihm. Mit seinen gerademal 20 Jahren versprühte A. eine derartige Leichtigkeit, die mich beflügelte. Er war so anders als die anderen Männer, die ich zu dieser Zeit kennenlernte. Keine Allüren, keine Wunden aus vergangenen Beziehungen. Es dauerte nicht lange und ich war hoffnungslos verknallt. Eigentlich wollte er keine Beziehung, doch nach einigem hin und her waren wir ein Paar.

Aufgrund des Jobs zogen wir zusammen nach Berlin. In welche Richtung sich unsere Beziehung entwickeln würde, konnte ich zu diesem Zeitpunkt in keinster Weise ahnen. Nach nur knapp anderthalb Jahren wurde ich schwanger. Für mich war klar, dass ist mein Kind. Mit 29 Jahren und einem festen Job gab es daran keinen Zweifel. Doch A. war gerade mal 22 Jahre jung. 

Unterschiede von Anfang an

Mit der Geburt unseres Sohnes schien mein Glück perfekt. Aus heutiger Sicht weiß ich, dass ich damals bereits unglücklich war. Von Anfang an war das Gleichgewicht in unserer Beziehung verschoben. Der Altersunterschied, die berufliche Entwicklung, persönliche Interessen und die Vorstellung, wie wir leben wollten. Alles wich voneinander ab. Unterschiede statt Gemeinsamkeiten. Aus heutiger Sicht bin ich mir nicht mal mehr sicher, ob ich A. überhaupt jemals richtig gekannt habe. Doch zu diesem Zeitpunkt war mir das alles egal. Denn wir waren zusammen. Ich ignorierte die Fakten und lebte weiter. Und anfangs war alles auch noch irgendwie ok. Wir gaben unser bestes, wollten für uns und für das Kind alles richtig machen.

Wir funktionierten nur noch

Der Alltag mit einem kleinen Kind in einer Stadt ohne soziales Netzwerk hatte uns beide fest im Griff. Es gab einen festen Rhythmus, nach dem wir funktionierten. Platz für Zweisamkeit gab es an dieser Stelle nicht. Wir lebten zwar gemeinsam, doch irgendwie einsam nebeneinander her. Dabei stritten wir oft, getrieben von meiner Unzufriedenheit und dem Bedürfnis nach mehr. Ich sehnte mich nach Aufmerksamkeit, nach Liebe, nach gemeinsamen Unternehmungen. Mein Alltag war davon geprägt, so ziemlich alles allein zu managen – den Job, das Kind, den Haushalt. Es gab keine Gespräche über uns, unser gemeinsames Leben, Wünsche, Ängste oder Sorgen. Doch je mehr ich diese einforderte, desto mehr schien A. sich zu entfernen.

Gehen oder bleiben

Immer wieder kam ich an den Punkt, die Beziehung beenden zu wollen. Immer wieder dachte ich, ich will so nicht Leben. Und immer wieder sagte A., dass ich geduldig sein muss. Dass sich etwas ändern wird. Und ich glaubte ihm. Schließlich war da ja auch noch das Kind. Und so machte ich einfach weiter. Da ich selbst ohne Vater aufwuchs, wollte ich mich für meinen Sohn nicht dasselbe Schicksal. Doch das Gefühl, irgendwas stimmt hier nicht, blieb. Und so vergingen Wochen, Monate, Jahre. Heute weiß ich, dass es sich lohnt zu kämpfen. Aber eben nur, wenn dieser Kampf gewonnen werden kann. Aus Zwang zusammen zu bleiben, dem Kind zu liebe, halte ich für falsch. Zu groß ist der Preis, den dafür jeder einzelne zahlt, nämlich sich selbst zu verleugnen.

Der Wendepunkt

Einer seiner größten Träume war diese Reise – drei Wochen Thailand. Und durch ein bisschen Glück konnten wir uns die tatschlich leisten. Ich wollte dort nicht hin, wollte ihm diesen Traum aber erfüllen. Und so buchten wir. Und die Freude darüber war riesengroß. So dachte ich zumindest. 

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Circa zwei Wochen vor Abflug platzte es aus ihm heraus. Er sieht keinen Sinn mehr in unserer Beziehung. Bähm, härter hätte er mich nicht treffen können. Ich verstand die Welt nicht mehr. Und auf einmal wurde es mir wieder klar, ich möchte ihn nicht verlieren. Wir sollten den Urlaub abwarten, sagte ich. Dort haben wir Zeit über alles zu sprechen und uns darüber klar zu werden, was wir wollten. Aus heutiger Sicht eine Farce. Seine Entscheidung stand doch schon fest. Warum er noch mitgeflogen ist, kann ich bis heute nicht beantworten.

 

Die Reise war aus menschlicher Sicht ein Desaster. A. wirkte wie ein Statist, weit weg von uns, gefangen in seiner ganz eigenen Welt. Die Distanz zwischen uns war so groß, wie nie zuvor. Sämtliche Versuche, mit ihm über uns zu sprechen waren erfolglos. Die Antwort war immer dieselbe, er weiß es nicht. Sein konstanter Begleiter war sein Handy. Heute weiß ich warum.

Das Ende

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Es war der 7. November 2018 auf Ko Phangan. Und an diesem Tag brach ich aus. Keinen Tag länger wollte ich so weiterleben. Was würde sich großartig ändern? Ich war doch ohnehin schon die ganze Zeit allein. Ich würde nicht plötzlich alleinerziehend sein. Ich kümmerte mich doch all die Jahre schon um Arzttermine, Überweisungen, Einkäufe, Anziehsachen, den Kita-Antrag, ging arbeiten, pflegte Kontakte zu Freunden und und und. Und so beendete ich tausende Kilometer von meinen Freunden entfernt die Beziehung zum Vater meines Sohnes. Drei Wochen später zog er aus unserer gemeinsamen Wohnung aus. Wie sehr mich die Trennung noch umwerfen würde, konnte ich mir zu diesem Zeitpunkt nicht vorstellen. 

Familie bleiben

Heute, knapp ein Jahr später, nach all der Wut, der Verzweiflung und der Trauer, sind auf einem guten Weg, eine Familie zu bleiben. Denn der Kleine hat sich nicht getrennt. Doch dieser Weg war steinig und hat viel Kraft gekostet – dazu an anderer Stelle mehr. Heute ist A. ein neuer Mensch. Er ist ein liebevoller Papa geworden, der mich und den kleinen in allen Lebenslagen unterstützt. An meiner Seite wäre diese Veränderung einfach nicht möglich gewesen. Denn er ist homosexuell. Unsere Trennung war nötig, um das zu erkennen und auch zu akzeptieren. 

 

Hinweis: Alle in diesem Beitrag erwähnten Personen sind über den Inhalt informiert und haben ihre Zustimmung gegeben.

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Kommentare: 2
  • #1

    Anonym (Samstag, 22 Dezember 2018)

    Hallo von Datenschutz keine Spur

  • #2

    Jenny K. (Montag, 24 Dezember 2018 22:40)

    Lieber Unbekannter,
    alle in diesem Beitrag erwähnten Personen sind über den Inhalt informiert und haben ihre Zustimmung gegeben. Weder werden sie namentlich genannt, noch sind sie auf verwendeten Bildern direkt zu sehen.

    Jenny